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Nach der Bombardierung der Möhnetalsperre in Arnsberg riss eine Flutwelle gegen Ende des Zweiten Weltkriegs rund 1.500 Menschen in den Tod, darunter rund 700 Zwangsarbeiterinnen und Kriegsgefangene
Mit einer Ausstellung im Landtag erinnern Jugendliche an die verstorbenen Frauen aus Osteuropa und der Sowjetunion und zeigen eindrückliche Kunstwerke zu einem lange verdrängten Thema.
Sie lebten eingepfercht in Baracken in zermürbender Enge.
Junge Zwangsarbeiterinnen, die vornehmlich aus der Ukraine und Russland zu den Möhnewiesen nahe Arnsberg-Neheim gebracht worden waren, um unter sklaven-ähnlichen Bedingungen für heimische Firmen zu schuften. „Hunger, Hunger, ein unvergesslicher Hunger all diese Zeit“, schrieb eine der Frauen über die erbärmliche Kost, bestehend aus einer „schrecklichen“ Kraut-suppe am Mittag und nassen Brotstückchen am Abend. „Wie haben wir das ausgehalten?“, fragte sie verzweifelt. Es mangelte an allem: Platz, Medikamenten, Hoffnung. Eingesperrt hinter Stacheldraht lebten die teils minder-jährigen Zwangsarbeiterinnen ohne Eltern Tausende von Kilometern entfernt von ihrer Heimat. Und dann die Katastrophe: Es geschah in der Nacht auf den 17. Mai 1943. Britische Streitkräfte bombardierten im Zuge der Operation „Züchtigung“ die Staumauer des Möhnesees, um gegen die deutsche Rüstungsindustrie vorzugehen. Die Mauer brach, eine bis zu zwölf Meter hohe Flutwelle preschte durch die Täler der Möne und Ruhr. In kürzester Zeit zerschmetterte sie hunderte Gebäude, zerstörte dutzende Eisenbahn- und Straßenbrücken und setzte mehrere Kraftwerke außer Betrieb. Erst bei Hattingen im Ruhrgebiet nahm die Wucht der Flutwelle ab. Die Folgen waren verheerend. Schätzun-gen zufolge starben mehr als 1.500 Menschen. Unter den Opfern waren die rund 700 Zwangsarbeiterinnen sowie belgische, französische und andere Kriegsgefangene.
Da die Quartiere nachts abgeschlossen waren und ein Stacheldraht das Gelände abgeriegelt hatte, gab es kein Entkommen vor der Flutwelle, die die Baracken wie Streichholzschachteln fortspülte. Darüber zu reden, war – wie vielerorts in der Nachkriegszeit – auch in Arnsberg lange tabu: Als in den 1970er-Jahren vor der Kirche am Neheimer Markt eine Stele zum Gedenken an die Opfer errichtet wurde, fehlte der Hinweis auf die Zwangsarbeiterinnen.
Mahnung an die Gegenwart
Um sie vor dem Vergessen zu bewahren haben sich Jugendliche aus Arnsberg in ihrer Freizeit am Projekt „Opfer der Möhnewiesen“ der Künstlerin Astrid Breuer und der Bürger-stiftung Arnsberg beteiligt. Die in der Bürgerhalle des Landtags gezeigte Ausstellung sei „berührend“, sagte André Kuper, Präsident des Landtags, bei der Eröffnung. Das Anliegen der Jugendlichen sei gewesen, den Zwangsarbeiterinnen ihre mit Füßen getretene Würde wiederzugeben – auch als Mahnung, damit sich die Verbrechen und der Rassenwahn des
Nationalsozialismus nicht wiederholen.
„Es ist dieses Engagement, das eine demokratische Gesellschaft braucht, die niemals vergisst.” Über einen Zeitraum von zwei Jahren haben sich 17 Schülerinnen und Schüler des Arnsberger St.-Ursula-Gymnasiums mit den Lebensgeschichten der Verstorbenen befasst. Anhand von originalen Passbildern und Firmenkarteikarten haben sie Zeichnungen, Skulpturen und Porträts angefertigt. Zudem haben sie kurze Briefe an die ihnen unbekannten Opfer verfasst. „Zur Erinnerung“ – heißt es auf dem Ankündigungsplakat der Ausstellung.
Briefe an Verstorbene
„Liebe Motrja,
ich habe Dich als alte Dame, die Du vielleicht hättest werden können, gemalt. So wirst Du viel greifbarer und realer als auf dem Passfoto Deiner Karteikarte“, schreibt eine Arnsberger Schülerin in ihrem Brief an die junge Ukrainerin. Im Hintergrund ihres Porträts erscheinen Gitter, Zeitungsberichte und historische Fotos. Dazu die Worte: „Die Bilder hinter Dir dokumentieren die Katastrophe, die Deinem jungen Leben als 15-jähriges Mädchen ein Ende setzte.“ Eine andere Schülerin wendet sich an die verstorbene Alexandra mit den Worten: „Mit meinem Bild möchte ich Dir die Zukunft zei-gen, die Du nie erleben durftest. Du warst 19, Dein Leben lag noch vor Dir.“ Seitdem sei viel passiert. „Wir Menschen haben Kriege geführt und waren auf dem Mond, wir haben geliebt, geweint, gelebt und wir schreiben die Geschichte weiter (…) Wir müssen uns an Dich erinnern, nicht vergessen, damit Du ein Teil der Zukunft wirst.“ Die Kunstwerke und Briefe knüpfen an eine umfangreiche Recherche der Geschichtswerkstatt „Zwangsarbeit Arnsberg“ und des Heimatvereins Neheim-Hüsten an. Demnach wurde das Zwangsarbeiterlager Möhnewiesen von heimischen Unternehmern im Frühjahr und Sommer 1942 geplant, beantragt und nach behördlicher Genehmigung errichtet. Auf dem Möhnefriedhof in Neheim wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Gedenksteine für die Opfer errichtet. Seit dem 17. Mai 2015 erinnert auch ein Mahnmal an der Staumauer an die Kriegsnacht und ihre Opfer. Bombardiert wurden da-mals in der Region auch fünf weitere Talsperren: die Lister-, Sorpe- und Ennepetalsperre sowie die Diemel- und Edertalsperre in Nord-hessen. Die verheerendsten Folgen gab es an der Möhnetalsperre. Tob
Quelle: Landtag NRW de
Ausstellung
Für die gemeinsame Ausstellung mit Schülerinnen und Schülern wurden die Künstlerin Astrid Breuer und die Bürgerstiftung Arnsberg im vergangenen Jahr mit dem NRW-Jugendkulturpreises ausgezeichnet. Interessierte können die Ausstellung im Landtag bis zum 2. Juni 2019 samstags und sonntags zwischen 11 und 17 Uhr besuchen. Ein 32-seitiger Katalog mit Abbildungen der Kunstwerke so-wie Hintergründen zur Ausstellung ist im Internet abrufbar.
www denktag de/2018moehnewiesen
Der Beitrag wurde
am Mittwoch, den 5. Juni 2019 um 21:40 Uhr
unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht.
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