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« Der Untergang der 6. Armee in Stalingrad  |   Ende der Schlacht um Stalingrad »

Anfang vom Ende begann 1944 vor Leningrad

Mit einer Großoffensive beendete die Rote Armee im Januar 1944 die Belagerung von Leningrad. Wie zwei Jahre zuvor vor Moskau beförderten Hitlers Haltebefehle die Katastrophe der deutschen Truppen.

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Am 27. Januar 1944 erdröhnte rund um Leningrad heftiges Artilleriefeuer. Die Rote Armee hatte den deutschen Belagerungsring um die Metropole an der Newa besprengt. Tausende Kanonen schossen den Siegessalut. Die Stadt, von der aus die Sozialistische Revolution ihren Siegeszug angetreten hatte, war wieder in der Hand ihrer Erben. Fast 900 Tage hatte die „Blockade“ Leningrads, das heute wieder St. Petersburg heißt, gedauert.

Eigentlich hatte Hitler an Leningrad ein Beispiel statuieren wollen, wie er die urbanen Zentren der Sowjetunion auslöschen wollte. Im September 1941 war der Vormarsch der Heeresgruppe Nord in Sichtweite der Drei-Millionen-Stadt angehalten worden. Das „Giftnest“, die „Geburtsstätte des Bolschewismus“ sollte „vom Erdboden verschwinden“ wie einst das mächtige Karthago, resümierte ein Offizier die Planspiele für die Vernichtung der Stadt. An ihnen sollte erprobt werden, was auch Moskau und anderen Städten blühte.

Zweieinhalb Jahre später hatten sich die Planspiele gegen ihre Urheber gewandt. Nicht mehr die Wehrmacht konnte sich Vernichtungsvisionen hingeben, sondern Stalin und die Rote Armee. 1,2 Millionen Soldaten, 20.000 Geschütze und 1600 Panzerkampfwagen in elf Armeen und drei Fronten stellte das sowjetische Hauptquartier für die „strategische Leningrad-Nowgorod-Angriffsoperation“ bereit, mit der im Januar 1944 das Ende der Belagerung Leningrads erzwungen werden sollte.

Was die Heeresgruppe Nord dagegen aufbieten konnte, war kümmerlich genug. Mit dem Verweis auf die geringen Kämpfe, die sie bislang hatte durchstehen müssen, hatte man ihr bis 1943 18 Divisionen entzogen, um mit ihnen die zahlreichen Lücken an der Ostfront zu schließen. Von den verbliebenen 40 Divisionen waren viele nur eingeschränkt kampftauglich, um den Jahreswechsel zählte man in 14 Infanterie-Bataillonen weniger als 100 Soldaten.

Pro Kilometer nur acht Soldaten

400.000 Mann in zwei Armeen mussten einen Frontabschnitt von rund 1000 Kilometern decken. Dafür standen gerade einmal 16 Panzer und 109 Sturmgeschütze bereit. Bei vier Panzern handelte es sich um erbeutete T-34 der Roten Armee. Die Luftflotte I meldete einen Bestand von 45 Jägern und 26 Schlachtfliegern, gegen die die Stawka, Stalins Hauptquartier, 1400 Maschinen in Stellung gebracht hatte. An einigen Stellen der Front zwischen Witebsk und Finnischem Meerbusen standen pro Kilometer gerade einmal acht Soldaten zur Verfügung.

Als Mitte Januar der sowjetische Angriff begann, dauerte es auch nur wenige Tage, bis die ersten Durchbrüche durch die deutschen Linien erzielt wurden. Generalfeldmarschall Georg von Küchler, Oberkommandierender der Heeresgruppe, wartete nicht auf die Erlaubnis Hitlers, sondern konnte mit einem schnellen Rückzug seine Truppen vor einer Einschließung bewahren.

Der Diktator schäumte vor Wut. Nachdem die Rote Armee auch bei Nowgorod die deutsche Verteidigung durchstoßen hatte, schickte der Diktator sogar ein Flugzeug an die Front, um den verantwortlichen Offizier vor ein Kriegsgericht zu zitieren. Zu Hitlers Erstaunen stellte sich die Personalknappheit an der Front derart prekär dar, dass das Westufer des Ilmensees nur durch ein estnisches und ein litauisches Bataillon hatte überwacht werden können, heißt es im Reihenwerk „Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg“ des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (früher MGFA) in Potsdam.

Das Aufbrechen des Blockaderings um Leningrad bewirkte für die deutsche Seite, dass die jahrelang stabil gebliebene Front einstürzte, resümiert der Historiker Karl-Heinz Frieser. Hinzu kamen Angriffe im Hinterland. Zehntausende Partisanen zerstörten 300 Brücken und 133 Transportzüge, während der Nachschub an die Front mit Pferdewagen transportiert werden musste.

„Das sind Krisen wie überall“

Am 22. Januar flog Küchler in Hitlers Hauptquartier in Ostpreußen, um umgehend die Erlaubnis für die Rücknahme seiner Armeen auf die „Panther-Stellung“ zu erhalten. Diese Auffangstellung, auch „Ostwall“ genannt, war im Herbst 1943 nur im Norden so ausgebaut worden, dass die Chance bestand, den Gegner stoppen zu können. Aber statt Einsicht in strategische Notwendigkeiten erntete der Marschall einen Tobsuchtsanfall.

„Das sind Krisen wie überall“, schrie Hitler, „die Heeresgruppe kennt seit einem Jahr keine Krisen mehr … ich bin gegen jedes Absetzen … Der Kampf muss so weit wie möglich von den Reichsgrenzen entfernt geführt werden.“ In seiner Verweigerungshaltung wurde der Diktator ausgerechnet von der Marine unterstützt, die einen Ausbruch der Baltischen Rotbannerflotte aus Leningrad befürchtete. Statt dessen kündigte Hitler die Entsendung von Reserven an: eine einzige Panzer-Division.

Zurückgekehrt wurde Küchler von der Realität eingeholt. Längst ging es nicht mehr um einen geordneten Rückzug, sondern um die Rettung von Resten ganzer Armeen. Am 29. Januar meldete er seinem Oberbefehlshaber: „Die 18. Armee ist in drei Teile aufgespalten, sie ist nicht mehr in der Lage, in der jetzigen Linie eine durchgehende Front aufzubauen.“ Um seine Truppen vor der Vernichtung zu bewahren, beabsichtige er den allgemeinen Rückzug auf die sogenannte „Luga-Stellung“.

Zwei Millionen Menschen verloren ihr Leben

Doch selbst das stabilisierte die Lage nicht mehr. Mitte Februar musste Hitler doch den Rückzug auf die „Panther-Stellung“ entlang der estnischen und lettischen Grenze genehmigen. Selbst Generaloberst Walter Model, Oberbefehlshaber der 9. Armee und einer der Lieblingsgeneräle des Diktators, der am 31. Januar Küchlers Posten geerbt hatte, konnte den Zusammenbruch der Front nicht mehr aufhalten. Seine fanatischen Halteparolen, mit denen er nach der Niederlage vor Kursk den Rückzug noch hatte verzögern können, griffen nicht mehr. Worte konnten keine Panzer ersetzen.

Hitlers Versuch, den Belagerungsring um Leningrad gegen jede strategische Ratio so lange wie möglich aufrecht zu erhalten, endete in einer Katastrophe. Drei Divisionen wurden vollständig aufgerieben, 23 in weiten Teilen. Allein bis Ende Januar hatte die Heeresgruppe 60.000 Mann Kampftruppen verloren. Bis März betrugen die Verluste knapp 100.000 Mann, davon 18.000 Tote, 70.000 Verwundete und 11.000 Vermisste. Die Rote Armee verlor im gleichen Zeitraum mehr als 300.000 Soldaten und fast 500 Panzer, was nicht zuletzt auf die mangelnde Erfahrung der eingesetzten Verbände und die Rücksichtslosigkeit ihres Einsatzes durch die Stawka zurückzuführen ist.

Dennoch erwies sich der Kampf um Leningrad als „Anfang vom Ende im Norden“ (Karl-Heinz Frieser). Wie schon im Dezember 1941 der gescheiterte Sturm auf Moskau die Angriffskraft der Wehrmacht beinahe gebrochen hatte, schlug auch vor der anderen sowjetischen Metropole das Pendel zurück. Was zu Exempeln der Vernichtung des ideologischen Gegners hatte werden sollen, wurde zu Symbolen seines siegreichen Widerstands. Der Blutzoll dafür war ungeheuer: Rund zwei Millionen Zivilisten und Soldaten verloren bei der Verteidigung Leningrads ihr Leben.

Quelle: Berthod Seewald, in: Welt de


Der Beitrag wurde am Sonntag, den 27. Januar 2019 um 12:42 Uhr unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen und selbst einen Kommentar schreiben.

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