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„Unternehmen Zitadelle“ – die Hölle von Kursk -

Am 5. Juli 1943 begann mit dem Angriff auf Kursk die letzte Großoffensive der Wehrmacht im Osten. 625.000 Landser traten gegen eine dreifache Übermacht an. Augenzeugen sprachen von der Apokalypse.

Mit zwei Armeen mit 625.000 Soldaten wollte die Wehrmacht mit dem „Unternehmen Zitadelle“ die sowjetischen Armeen vernichten, die den Frontbogen um Kursk zur größten Festung des Weltkrieges ausgebaut hatten. Das Foto zeigt Soldaten der Waffen-SS-Division “Das Reich” vor einem Panzer VI “Tiger I”.

Einen pathetischen Befehl erließ der Kommandeur der 7. Infanterie-Division am 4. Juli 1943 für den folgenden Tag: „Soldaten! Die Stunde des Angriffs ist gekommen. Ich weiß, dass jeder von Euch seine Pflicht bis zum Letzten erfüllen wird. Ihr werdet an die siegreichen Fahnen der Division, die in Polen, Frankreich und bis vor die Tore Moskaus den Feind vor sich hergejagt und die auch in zwei Jahren der Verteidigung auf russischer Erde allen Angriffen standgehalten hat, neuen Ruhm heften. Unsere Gefallenen schauen auf Euch herab. Unser Gruß und unsere Hingabe gilt Deutschland und seinem geliebten Führer.“

Wohin Generalleutnant Fritz-Georg von Rappard seine Truppe schickte, war ihm klar. Ein Schreiben vom 28. Juni hatte es deutlich gemacht: „Feind steht dem Korps in Erwartung eines deutschen Angriffs mit starken Kräften gegenüber. Er verfügt über ein besonders tiefes, gut ausgebautes und von ausreichenden infanteristischen Kräften besetztes Stellungssystem, über eine starke, sorgfältig gegliederte Panzerabwehr sowie über auffallend starke Artillerie und zahlreiche Salvengeschütze, örtliche Eingreifreserven, dabei Panzer, sind vorhanden. Es muss zunächst mit zähem Widerstand des voll abwehrbereiten Feindes in der Front, später mit starkem, von zahlreichen Panzer-Verbänden unterstützten Entlastungs- und Gegenangriffen gerechnet werden.“

Die deutsche Führung wusste sehr genau, was nach dem Angriff geschehen würde, der am 5. Juli um 3.30 Uhr erfolgen sollte. Von Norden sollte die 9. Armee der Heeresgruppe Mitte unter Walter Model, von Süden die 4. Panzerarmee unter Hermann Hoth der Heeresgruppe Süd auf Kursk vorstoßen, um die sowjetischen Truppen zu vernichten, die sich in dem 200 Kilometer langen und 100 Kilometer tiefen Frontvorsprung verschanzt hatten.

Nur eine begrenzte Angriffsoperation

Auch wenn die gegnerischen Zahlen der deutschen Führung nicht bis ins einzelne bekannt waren, zeugte die Größenordnung doch von Verblendung. 625.000 deutsche Soldaten mit 2700 Panzern und 1300 Flugzeugen sollten einen dreifach überlegenen Feind attackieren, der mit 17.000 Erdbefestigungen und 30.000 Kanonen die Front bei Kursk zur größten Feldbefestigung aller Zeiten ausgebaut. Nicht umsonst hatte die Nachrichtenabteilung „Fremde Heere Ost“ gewarnt: „Es ist also wenig wahrscheinlich, dass der deutsche Angriff durchschlägt … Deutscherseits werden die im Hinblick auf die Gesamtlage später bitter notwendigen Reserven … festgelegt und verbraucht.“

Die Deutschen hatten der Roten Armee alle Zeit gelassen, sich vorzubereiten. Im März hatte der Aufmarsch für das „Unternehmen Zitadelle“ begonnen. Aber Hitler ließ den Angriffstermin immer wieder verschieben. Wiederholt führten die beteiligten Generäle mangelnde Vorbereitung an, dann sollten Partisanen im Hinterland bekämpft werden, dann wollte der Diktator das Eintreffen der neuen Panzer vom Typ „Tiger“ und „Panther“ abwarten, von denen er sich Wunderdinge erhoffte.

Vor allem aber war die deutsche Führung von dem ganzen Unternehmen, für das sie immerhin die letzten Reserven der Wehrmacht im Osten zusammengezogen hatte, nicht überzeugt. Hitler sorgte sich um das Regime Mussolinis und eine bevorstehende Invasion in Italien, sein Rüstungsminister Albert Speer sah seine Reserven schwinden und viele Generäle hätten die eingesetzten Truppen lieber in der Verteidigung eingesetzt.

Im Grunde ging es nur noch darum, sich, der Heimatfront und dem Feind Handlungsfähigkeit zu beweisen und dabei möglichst große Verbände der Roten Armee zu zerschlagen. „Das Unternehmen ,Zitadelle’ … war keine strategische Offensive mehr, sondern nur eine begrenzte Angriffsoperation aus der strategischen Defensive heraus“, urteilt der Historiker Karl-Heinz Frieser, einer der besten Kenner des Weltkrieges im Osten.

Verzicht auf jede Überraschung

Obwohl alle Aufmarschpläne immer wieder die extreme Geheimhaltung postulierten, unter der das Unternehmen zu stehen habe, hatte die sowjetische Führung spätestens im Juni das Ziel der deutschen Offensive erkannt. Und die deutsche Aufklärung entdeckte dies auch beizeiten. Dennoch verzichtete die Wehrmacht auf ihren größten Trumpf, der ihr bis dahin bei ihren Blitzfeldzügen zumindest spektakuläre Anfangserfolge ermöglicht hatte: die Überraschung. Der Feind sei „voll abwehrbereit“, heißt es in dem eingangs zitierten Befehl, der sich in den Akten der 7. Infanterie-Division findet, die sich im Militärarchiv des Bundesarchivs in Freiburg erhalten hat.

Dieser Verband gehörte zur 9. Armee, die von Norden aus auf Kursk marschieren sollte. Bis zu 30 Kilometer tief war das Stellungssystem aus Gräben und Feldbefestigungen, das die Rote Armee angelegt hatte. Gerade einmal acht Kilometer weit reichte war der Einbruch, der den deutschen Truppen am ersten Tag gelang. Bereits am 6. Juli, einen Tag nach Eröffnung der Offensive, erging erstmals der Befehl zum „vorübergehenden Übergang zur Verteidigung“.

Dabei hatten die Deutschen noch Glück. Bis heute ist nicht geklärt, woher die Stawka, Stalins Hauptquartier, das genaue Datum des Angriffs erfahren hatte. Jedenfalls belegte die sowjetische Artillerie die deutschen Stellungen bereits kurz nach Mitternacht mit schwerem Feuer. Doch das erwies sich als voreilig, denn die meisten Einheiten waren noch gar nicht bis dahin vorgerückt.

Auch ein Luftangriff mit Bombern und Schlachtflugzeugen erwies sich als Desaster: Die sowjetischen Flugzeuge wurden frühzeitig von einem weitreichenden Radargerät vom Typ „Freya“ geortet, so dass die startklar gemachten deutschen Maschinen noch umdisponiert werden konnten. Umgehend starteten die Jagdflugzeuge und schossen rund 120 gegnerische Flugzeuge ab.

„Ein verlustreiches Durchfressen“

Erst neue Forschungen des Militärgeschichtlichen Forschungsamtes der Bundeswehr in Potsdam haben gezeigt, dass die sowjetischen Präventivschläge am 5. Juli keineswegs die schlachtentscheidende Wirkung hatten, die ihnen in der russischen Historiografie lange zugeschrieben wurden. Am ersten Tag verlor die Rote Armee 425 Flugzeuge, die deutsche Luftwaffe dagegen 33. Zum letzten Mal in diesem Krieg konnte sie eine partielle Luftüberlegenheit erkämpfen.

Im Norden hatte Model aus dem Verzicht auf das Überraschungsmoment den Schluss gezogen, wie im Ersten Weltkrieg anzugreifen. Hinter seinen Infanterie-Divisionen hielt er seine acht Panzer- und Panzergrenadier-Divisionen bis zum entscheidenden Durchbruch zurück. Im Süden ließen Erich von Manstein und seine Armeeführer einmal mehr ihre Panzer-Truppen vorpreschen, von denen dort auch mehr vorhanden waren, nämlich elf.

Tatsächlich erzielten sie tiefere Vorstöße in die sowjetische Front, aber der entscheidende Durchbruch gelang ihnen auch nicht. „Es war ein mühsames und verlustreiches Durchfressen durch ein ungeheures Stellungssystem, das im Zwischengelände mit Minen übersät und mit Waffen aller Art bespickt war und kein Ende nehmen wollte“, heißt es in einem Bericht.

„Beide Führungsstäbe verfolgten diese furchterregende Eskalation mit grimmiger, dumpfer Befriedigung: Die deutschen Offiziere hatten noch nie so viele sowjetische Flugzeuge gesehen, während die sowjetischen Befehlshaber noch nie … eine solch gewaltige Massierung deutscher Panzer erblickt hatten“, beschrieb der britische Militärhistoriker John Erickson die Szenerie.

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Antonius John, ein deutscher Panzersoldat, der das Inferno überlebte, hatte einen anderen Blick auf das „Schlachtfeld, auf dem jeder Baum und Strauch zerfetzt war, die Fläche mit zerstörten Geschützen, ausgebrannten Panzern und abgeschossenen Flugzeugen bedeckt“. In seiner autobiografischen Darstellung der Schlacht sah er „Abbilder eines Weltuntergangs, die im Erleben den betroffenen Menschen – falls er nicht die stärksten Nerven hatte – der Verzweiflung entgegenzutreiben drohte … Die dabei sichtbar werdenden endzeitlichen Dimensionen lassen es vertretbar erscheinen, die Bezeichnung ,Hölle’ zu verwenden.“

Von Berthold Seewald, in: Welt de -veröffentlicht am 05.07.2013


Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 5. Juli 2018 um 14:17 Uhr unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen und selbst einen Kommentar schreiben.

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