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Jahrestag der Befreiung - 27. Jan.1944 - St.Petersburg »
Vierzehn Tage, die die Welt zerstörten
Am 5. Dezember 1941 brach der deutsche Angriff auf Moskau zusammen.
Kurz darauf versenkten die Japaner die US-Flotte. Und Hitler erklärte den USA den Krieg.
Der Niedergang des Dritten Reiches begann am 5. Dezember 1941. An diesem Tag brach die Panzergruppe 2 des Generalobersten Heinz Guderian ihre Offensive ab, die zur Eroberung Moskaus führen sollte. Nur wenige Stunden später, in der Nacht zum 6. Dezember, eröffnete die sowjetische „Westfront“ mit fast zehn Armeen ihre Gegenoffensive, darunter 200 Divisionen, die seit dem deutschen Angriff am 22. Juni aufgestellt worden waren.
“Solche Verhältnisse sind untragbar”
Innerhalb kürzester Zeit gelang den Verbänden der Roten Armee, die weitgehend mit passabler Winterausrüstung ausgestattet waren, tiefe Einbrüche in die deutschen Linien. Das „Ostheer“ der Wehrmacht verfügte über keinerlei personelle und materielle Reserven, die Bestände an Lastkraftwagen und Panzern waren ruiniert, selbst in Elitedivisionen verfügte höchstens ein Viertel der Soldaten über vernünftige Winterkleidung.
„Niederdrückend auf die Männer, dass sie mit ungenügenden Waffen gegen einen teilweise besser ausgerüsteten Gegner kämpfen mussten … Die Männer lagen alle vier Tage und vier Nächte in der Stellung, einzelne Teile sogar eine fünfte Nacht. Wenn die Truppe nicht vollkommen zur Schlacke ausbrennen soll, sind solche Verhältnisse untragbar“, hatte schon vor dem russischen Angriff ein Stabsoffizier die Situation beschreiben . Als die Offensive losgebrochen war, erklärte der Befehlshaber des Ersatzheeres, Friedrich Fromm, Hitler, dass es höchste Zeit sei, mit der sowjetischen Führung Friedensverhandlungen aufzunehmen.
Auch wenn sich der Zweite Weltkrieg vom 5. Dezember 1941 noch dreieinhalb Jahre hinziehen sollte: Von diesem Tage an wurde offensichtlich, dass das Dritte Reich ihn nicht gewinnen konnte. Und weitere 14 Tage später hatte sich der Krieg derart gewandelt, dass für Deutschland nur noch der Weg in die Katastrophe blieb.
Den Zeitgenossen blieben die Konsequenzen natürlich verborgen, die sich aus den dramatischen Veränderungen jener Tage ergaben: Zwei Tage später, am 7. Dezember 1941, überfielen japanische Trägerflugzeuge die US-Pazifikflotte in Hawaii und versenkten sie. Am 11. Dezember erklärte Adolf Hitler den USA den Krieg. Am 16. Dezember befahl der Diktator seinen Kommandeuren, ihre Soldaten „zum fanatischen Widerstand in ihren Stellungen zu zwingen“ und bis zum Tod auszuharren. Am 19. übernahm er nach der Entlassung Walther von Brauchitschs selbst die Funktion des Oberbefehlshabers des Heeres.
Mit 80 Divisionen gegen Moskau
Zwischen dem 5. und dem 19. Dezember wurde der Krieg, der bis dahin ein europäischer gewesen war, zum Weltkrieg. Nicht nur im militärischen Sinn: Von nun an wurde der Vernichtungskrieg gegen den Bolschewismus nicht nur gegen die Rote Armee und die sowjetischen “Untermenschen”, sondern in vollem Umfang auch gegen jene geführt, in denen Hitler seine eigentlichen Feinde ausgemacht hatte, die Juden .
Noch am 25. November, anlässlich der Verlängerung des Antikominternvertrages, hatte die Führung des Dritten Reiches sich in Siegesgewissheit geübt. Der Krieg sei „im großen gesehen“ gewonnen erklärte Hitler. Im nächsten Jahr gehe es nur noch darum, dem Feind den Todesstoß zu versetzen. Schon zu diesem Zeitpunkt waren die rund 80 Divisionen in sechs Armeen, die Anfang Oktober zum „Unternehmen Taifun“ Richtung Moskau aufgebrochen waren, der Auflösung nahe.
„Die Kraft der Truppe sei völlig erschöpft“, meldete der Oberbefehlshaber der Heeresgruppe Mitte, Generalfeldmarschall Fedor von Bock. Doch statt die Offensive 80 Kilometer vor Moskau abzubrechen, setzten Hitler und seine Generäle buchstäblich alles auf eine Karte und befahlen den weiteren Angriff.
Sie klammerten sich buchstäblich an die Vision vom letzten, alles entscheidenden Schlag. Denn Nachschub an Panzern, Menschen oder Wintermaterial gab es nicht. Nur fünf Tage später notierte der deutsche Generalstabschef Franz Halder in sein Tagebuch: „Regimenter mit 400 Gewehren von einem Oberleutnant geführt … Die Truppe ist hier am Ende.“
Dass Stalin kurz darauf eine Million Mann mit 700 Panzern gegen dieses völlig überraschte Heer werfen konnte, hing nicht zuletzt mit den japanischen Plänen zusammen. Im August 1941 war in Tokio die Entscheidung gefallen, den Krieg nur gegen die USA und Großbritannien aufzunehmen. Seitdem plante die kaiserliche Flotte das Unternehmen , mit sechs großen Flugzeugträgern durch den Nordpazifik zu fahren, die US-Flotte in Pearl Harbor zu versenken und anschließend eine „ostasiatische Wohlstandssphäre“ zu schaffen, die die westlichen Kolonialreiche umfassen sollte.
Stalins sibirische Reserven
Dazu auch noch eine Front gegen Russland zu errichten, wurde in Tokio als nicht vorrangige Aufgabe betrachtet. Entsprechende Nachrichten hatten Moskau noch im Sommer erreicht. Nachdem der russische Agent Richard Sorge weitere Indizien für das japanische Stillhalten Wissen nach Moskau gefunkt hatte, wusste Stalin, dass er seine sibirischen Reserven gegen Hitler zum Einsatz bringen konnte.
Nach der japanischen Entscheidung, die Sowjetunion nicht anzugreifen, wäre die deutsche Kriegserklärung an die USA keineswegs zwingend gewesen. Warum Hitler sie doch formulierte und damit sein Regime in eine Konfrontation hineintrieb, die unkalkulierbare Risiken barg, gehört zu den großen Fragen der Geschichte.
Während seine Armeen im russischen Winter verbluteten, versicherte Hitler dem japanischen Botschafter, dass die Operationen im Frühjahr 1942 „im großen wieder aufgenommen“ würden. Man hat das als konzeptionslose „Flucht nach vorn“ gedeutet, als irrationalen Befreiungsschlag, um von der tatsächlichen Misere im Osten abzulenken. Umgekehrt meinten einige Historiker tatsächlich einen Sinn in Hitlers Haltebefehlen zu sehen, mit denen die berstende Ostfront stabilisiert worden sei, die, so Halder, „kritischste Lage in beiden Weltkriegen“.
Beide Thesen lassen sich nicht mehr halten. Bei einer rechtzeitigen Rücknahme der deutschen Armeen hätten deutlich größere Ressourcen gerettet werden können. So aber wurden sie im Abwehrkampf aufgerieben. Hinzu kam – bittere Ironie – dass Hitler Ende 1942 noch einmal glaubte, mit derartigen Methoden eine Armee vor dem Feind halten zu können. Die Katastrophe von Stalingrad war die Folge.
Wurden Hitlers operative Befehle vor allem von Inkompetenz getrieben, darf hinter seinen politischen Entscheidungen ein klarer monströser Willen angenommen werden. Wenn schon nicht die Sowjetunion niedergerungen werden konnte, sollte wenigstens die – wie er es sah – „zersetzende Macht“ des „Internationalen Judentums“ durch „Vernichtung der jüdischen Rasse in Europa“ gebrochen werden. Der Völkermord, der schon seit 1939 in Polen und seit Juni 1941 in Russland betrieben worden war, wurde zur wichtigsten Etappe auf dem Weg zum Endsieg. Oder umgekehrt, die Kriegführung wurde dem Holocaust untergeordnet.
“Das deutsche Volk soll vergehen”
Dass dieser ideologische Irrsinn den Untergang seiner Urheber einkalkulierte, war Hitler durchaus klar. Schon am 27. November 1941 erklärte er dem dänischen Außenminister: „Wenn das deutsche Volk einmal nicht mehr stark und opferbereit genug sei, sein eigenes Blut für seine Existenz einzusetzen, so soll es vergehen und von einer anderen stärkeren Macht vernichtet werden.“
Das erklärt die Leichtigkeit, mit der wenige Wochen später der größten Industriemacht der Welt der Krieg erklärt wurde. Warum deutsche Soldaten in sinnlosen Kesselschlachten erfroren. Und warum mit der Jahreswende 1941/42 die Vereinheitlichung des Völkermords an den Juden höchste Priorität bekam. In der Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 , die nur noch der Koordination der beteiligten Behörden diente, wurde dieses Ziel bürokratisch organisiert.
Der britische Historiker Ian Kershaw hat in seinem neuen Buch „Das Ende: Kampf bis in den Untergang – NS-Deutschland 1944/45 “ (DVA, München. 704 S., 29,99 Euro) die Konsequenzen analysiert. In den letzten Monaten des Dritten Reiches und die totale Niederlage vor Augen erklärte Hitler: „Wenn der Krieg verloren geht, wird auch das Volk verloren sein. Es ist nicht notwendig, auf die Grundlagen, die das deutsche Volk zu seinem primitivsten Weiterleben braucht, Rücksicht zu nehmen. Im Gegenteil, es ist besser, selbst diese Dinge zu zerstören. Denn das Volk hat sich als das schwächere erwiesen, und dem stärkeren Ostvolk gehört ausschließlich die Zukunft.“
In diesem Sinn führte der Diktator am Ende einen Krieg gegen das eigene Volk. Eröffnet hatte er ihn im Dezember 1941.
Von Berthold Seewald, in: Welt de veröffentlicht am 05.12.2011
Anmerkung:
Die Stadt Köln hatte im Jahre 1939 etwa 770.000 Einwohner.- Diese später völlig zerstörte Stadt als Orientierungsgröße zu den Verlusten:
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In den 5,5 Monaten Juni 1941 bis November 1941 hatte die Wehrmacht bereits über 752.000 Soldaten verloren.
Quelle: Overmans: Verluste der Wehrmacht an der “Ostfront” unter Berufung auf Datenangaben des OKW/FWSt, diese beim BArch - Bundesarchiv - nachzulesen.
Der Beitrag wurde
am Freitag, den 1. Dezember 2017 um 23:39 Uhr
unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht.
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Am 12. Januar 2018 um 04:46 Uhr
…sibirische Reserven, Dank der Lieferung milit. Güter der USA..