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1941 - Die Kesselschlacht von Kiew war Hitlers größter Sieg

Bereits Ende Juli 1941, fünf Wochen nach dem Angriff der Wehrmacht, hatte der sowjetische Generalstabschef Georgi Schukow seinem obersten Kriegsherrn dringend geraten, die ukrainische Hauptstadt Kiew aufzugeben und vorausschauend hinter dem Dnjepr eine Verteidigungslinie aufzubauen. Ein empörter Stalin wischte den Vorschlag als „Unsinn“ vom Tisch, worauf Schukow eine Probe seines persönlichen Muts abgab.

Weitere sechs Wochen später konnte Stalin nicht mehr die Augen davor verschließen, dass Schukow womöglich recht gehabt hatte. Zwar war es der Roten Armee gelungen, unter Einsatz von sechs Armeen und vier Reservearmeen im Raum Smolensk den Vormarsch der deutschen Heeresgruppe Mitte zu stoppen und diese im Süden sogar zurückzudrängen. Aber das war vor allem einem Befehl Hitlers zu verdanken gewesen, der die schnellen Panzertruppen dieses Großverbandes angehalten und umdirigiert hatte.
Während die Kampfwagen des Generals Hermann Hoth die Heeresgruppe Nord beim Vormarsch auf Leningrad unterstützen sollten, rollten die Panzer des Generals Heinz Guderian nach Süden, in die Ukraine.

Der ursprüngliche deutsche Feldzugsplan hatte den schnellen Vormarsch auf Moskau vorgesehen, von dessen Fall man sich spätestens den Blitzsieg über die Sowjetunion erhoffte. Deswegen waren der Heeresgruppe Mitte zwei sogenannte Panzergruppen zugeordnet worden, während die Heeresgruppen Nord und Süd nur mit jeweils einer dieser Panzerarmeen – bestehend aus Panzer- und motorisierten Divisionen – auskommen mussten. Entsprechend schwerer geriet deren Vormarsch gegen den sich versteifenden sowjetischen Widerstand.

Gegen den Widerstand seiner Generäle argumentierte Hitler vor allem im Hinblick auf die Ukraine mit kriegswirtschaftlichen Erfordernissen. Ihm ging es darum, die reichen Ressourcen des Landes an Industrie, Bodenschätzen und Anbaugebieten umgehend in seine Gewalt zu bekommen – was zugleich ein erstes Eingeständnis dessen war, dass der erwartete schnelle Triumph über Stalin augenscheinlich ausblieb.

Widerwillig musste sich Guderian den Weisungen Hitlers fügen und seine erschöpften Truppen Richtung Lochwyzja dirigieren, eine Kleinstadt auf halbem Weg zwischen Kiew und dem ostukrainischen Industriezentrum Charkow gelegen. Dieser Ort war auch das Ziel der Panzergruppe 1 des Generals Ewald von Kleist, die nach ihrem Sieg in der Kesselschlacht von Uman ihren Vormarsch wieder aufgenommen hatte. Auch die Infanteriedivisionen der Heeresgruppe Süd, die sich am Rand der Pripjetsümpfe entlanggeschleppt hatten, drängten die sowjetischen Verteidiger mit Macht auf Kiew und den Dnjepr.

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Am 7. September bat der Kommandeur der sowjetischen Südwestfront, Michail Kirponos, die Stawka händeringend darum, seine Truppen hinter den Fluss zurücknehmen zu dürfen. Erst zwei Tage später – die Deutschen hatten seine rechte Flanke schon halb umfasst – erhielt er die Erlaubnis, verbunden allerdings mit dem strikten Befehl, Kiew und weitere Brückenköpfe auf dem Westufer unter allen Umständen zu halten.

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Am 11. September griff Stalin persönlich zum Telefon, um Kirponos und dessen Vorgesetzten und Chef der gesamten Südwestachse, Semjon Budjonny, vorzuwerfen, „immer neue Rückzugslinien zu suchen“, anstatt effektiven Widerstand zu leisten.

Der alte Kavallerist Budjonny, der es als früher Weggefährte Stalins vom zaristischen Unteroffizier zum Marschall der Sowjetunion gebracht hatte, nahm all seinen Mut zusammen und erklärte, dass „jede weitere Verzögerung (des Rückzugs; d. Red) gewaltige Verluste an Menschen und Material mit sich bringen würde“. Stalin ersetzte ihn daraufhin mit Semjon Timoschenko, ersparte ihm aber – anders als vielen Generälen – das Todesurteil.

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Noch am 14. September bezeichnete die Stawka die vielen Katastrophenmeldungen von der Kiewer Front als „Panikmache“ und drohte jedem Kommandeur, der über den Rückzug nachdenken würde, mit dem Erschießen. Dabei hatten die Deutschen längst den Dnjepr erreicht und drängten weiter Richtung Osten.

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Am 15. September trafen die Spitzen der Panzergruppen Guderians und Kleists bei Lochwyzja, 200 Kilometer östlich von Kiew, zusammen. Vier vollständige Armeen und Teile von zwei weiteren Armeen, mehr als 700.000 Mann, waren eingeschlossen.

Ein konsternierter Timoschenko raffte sich schließlich doch dazu auf, Kirponos den umgehenden Rückzug zu befehlen, der von schwachen Reserven gedeckt werden sollte. Dieser aber verlangte eingedenk der ausgesprochenen Drohungen die Vorlage einer Legitimation durch die Stawka.

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Als diese am 18. September eintraf, war es längst zu spät. Die meisten von Kirponos Verbänden waren desorganisiert und führungslos und verschlissen sich in planlosen Gefechten gegen einen Feind, der sich zielstrebig seinen Weg bahnte. Selbst die sowjetische Geschichtsschreibung bestätigt, dass nur noch „einzelne Abteilungen“ aus dem Kessel ausbrechen konnten. Kirponos wurde von einem Granatsplitter getötet.

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Als die Kämpfe am 26. September zu Ende gingen, hatten mindestens 150.000 sowjetische Soldaten ihr Leben verloren. 665.000 waren in Gefangenschaft geraten. Die deutschen Verluste betrugen 100.000 Tote und Verwundete.
Historiker bezeichnen die Schlacht um Kiew als größte militärische Einzeloperation der Geschichte. Nur unter Aufbietung der letzten Reserven, die jetzt an anderen Stellen fehlten, konnte die Stawka die riesige Lücke in der Front schließen und die deutschen Panzerspitzen, die inzwischen bis nach Rostow am Don vorgedrungen waren, stoppen.

Mit seiner sturen Haltestrategie hatte Stalin also dafür gesorgt, dass Hitler doch noch seine Chance bekam, nach Moskau vorzustoßen. Umgehend wurden Guderians Panzer wieder nach Norden beordert, um an der Offensive gegen die sowjetische Hauptstadt teilzunehmen. In das zum Hinterland gewordene Kiew rückte indes die SS mit ihren Einsatzgruppen ein, um die andere Seite des Vernichtungskrieges zu eröffnen.

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Am 29. und 30. September wurden in der Schlucht von Babyn Jar 33.000 Juden erschossen.

Quelle: Berthold Seewald, in: Welt de v 21.9.2016


Der Beitrag wurde am Donnerstag, den 21. September 2017 um 18:48 Uhr unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen und selbst einen Kommentar schreiben.

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