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« Nach 14 Tagen hatte die Wehrmacht gesiegt – fast  |   Todesmarsch von Hitlers 7. Infanterie-Division »

Im Sommer 1941 rettete Hitler womöglich Stalin

Am 3. Juli 1941

notierte Franz Halder, Chef des deutschen Generalstabs, in sein Tagebuch: Es ist „wohl nicht zu viel gesagt … dass der Feldzug gegen Russland innerhalb (von) 14 Tagen gewonnen wurde“.

Am 23. Juli

war dieser Optimismus verflogen. Obwohl die deutschen Truppen an allen Fronten im Osten auf dem Vormarsch waren und Erfolg um Erfolg verbuchten, musste Halder gegenüber Hitler eingestehen, dass die Rote Armee noch mit – mindestens – 78 Schützendivisionen, sechs Panzerdivisionen und zwei Kavalleriedivisionen hartnäckigen Widerstand leistete.

Die Anstrengungen des ersten Monats des Feldzugs waren auch an der Wehrmacht nicht spurlos vorübergegangen. Die Kampfkraft der eigenen Infanteriedivisionen schätzte Halder mit 80 Prozent ein, die der Panzerdivisionen nur noch mit 50. Gleichwohl plädierte der Generalstabschef für die Fortführung des ursprünglichen Kriegsplans: Bis zum Beginn der Schlammperiode im Oktober sollte Moskau eingenommen worden sein.

Hitler war anderer Meinung. Auch er hatte erkannt, dass die weiträumigen Umfassungsoperationen der ersten Wochen die Kampfkraft der Roten Armee keineswegs gebrochen hatten. Zwar hatten die vier Panzergruppen (Panzerarmeen), die den drei Heeresgruppen Nord, Mitte und Süd voranfuhren, die in sie gesetzten Erwartungen erfüllt. Aber zahlreiche sowjetischen Verbände konnten sich in die Weiten des Ostens absetzen, weil die deutsche Infanterie nicht nachkam und die sogenannte Säuberung der eingeschlossenen Räume unterblieb.
In dieser Situation gab der Diktator seine Weisung Nummer 33 heraus. Danach sollten die beiden Panzergruppen der Heeresgruppe Mitte nach Norden beziehungsweise Süden abdrehen und den beiden schwächer motorisierten Heeresgruppen, deren Ziele Leningrad und Kiew waren, zusätzlichen Schwung geben. Zwar sollten die Infanteriedivisionen weiterhin ihren „Vormarsch“ Richtung Moskau fortsetzen, würden dies aber deutlich langsamer tun.

Nicht nur, weil die Soldaten zu Fuß gehen mussten. Längst hatten sich im Hinterland der Front Partisanengruppen gebildet, die eine ernste Gefahr für den Nachschub darstellten. Auch nahmen die Ausfälle von Lastwagen „in beunruhigendem Maße“ zu, wie es ein Divisionsbericht meldete. Darin hieß es auch: „Wegen des Mangels an Kraftwagen ist der Abtransport von verwundeten Kriegsgefangenen nur dann durchzuführen, wenn die eigenen Verwundeten restlos versorgt sind. Andernfalls sind die verwundeten Kriegsgefangenen an Ort und Stelle zu belassen.“

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Behindert wurde der Vormarsch auch durch den dramatischen Mangel an Socken.

Allein die 7. Infanteriedivision musste 10.000 russische „Beutefußlappen“ requirieren, um die Marschfähigkeit ihrer Soldaten einigermaßen aufrechtzuerhalten. Mit jedem Schritt nach Osten verbreiterte sich zudem der Frontabschnitt, den die Division zu halten hatte. Waren es an der Grenze noch 15 Kilometer gewesen, hatte sich der Abschnitt am 4. August mehr als verdreifacht. Das entsprach zwei Tagesmärschen.


Was das für die Moral der Soldaten bedeutete, beschrieb ein Zugführer so: „Marschieren, marschieren, 14 Tage lang. Das gibt mir den Rest. Eine namenlose Wut habe ich. Ich gehe weit allein durch die Kornfelder, was soll ich nur machen. Das ist nur das Ende des zweiten Weltkriegsjahres, und immer sollen wir nur marschieren.“

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Hitler argumentierte dagegen, dass zunächst die Rohstoffressourcen der Sowjetunion zumal in der Ukraine in Besitz genommen und die eingeschlossenen oder abgeschnittenen Verbände der Roten Armee vollständig aufgerieben werden müssten. Vor allem der Wirtschaftsraum zwischen Kiew und Charkow sei ein erstrangiges Ziel, hinter dem bereits die Erdölfelder des Kaukasus lockten. „Meine Generale verstehen nichts von Kriegswirtschaft“, hielt er Halder und anderen Kritikern vor, die „den Angriffsschwung“ der Wehrmacht weiter Richtung Moskau nutzen wollten.

Schließlich überließen Halder und der Oberkommandierende des Heeres, Walther von Brauchitsch, es dem Panzergeneral Heinz Guderian, Hitler umzustimmen. Guderian, der die südliche Panzergruppe 2 der Heeresgruppe Mitte befehligte, hatte seine kampfstärksten Truppen vor Smolensk so gruppiert, dass er weiter Richtung Moskau marschieren konnte. Wie Halder und andere hohe Generäle setzte er auf Zeit in der Hoffnung, dass der Vormarsch gegen Kiew auch ohne sein Mittun vorangehen würde. Hitler aber blieb stur.Obwohl er seine Weisung Nummer 33 noch mehrmals modifizierte, blieb es dabei.

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Leningrad und die Ukraine wurden zu erstrangigen Zielen erklärt, während sich die Armeen in der Mitte der Front auf die Defensive verlegen sollten. Nur mit Mühe konnte Guderian durchsetzen, dass seine Panzertruppen nicht geteilt wurden, sondern nach Abschluss ihres Einsatzes im Süden wieder vollständig für weitere Aufgaben vorgesehen würden.

Nicht wenige Historiker haben in Hitlers Schwanken einen Grund für das Scheitern des Blitzkriegs gegen die Sowjetunion gesehen. Der britische Militärhistoriker John Keegan ging sogar so weit, dass dieses „Interregnum“ „Stalin 1941 durchaus vor der Niederlage bewahrt haben könnte“. Denn die deutschen Truppen konnten zwar Kiew erobern und Leningrad einschließen, aber Stalin gewann Zeit, vor Moskau mehrere Verteidigungslinien auszubauen. Im Jelnia-Bogen südöstlich von Smolensk sollte seinen Truppen zudem erstmals ein erfolgreicher Gegenschlag gelingen.

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Warum sich Hitler so hartnäckig gegen seine militärische Führung stellte, ist oft diskutiert worden. Vielleicht sah er wirklich, dass die Eroberung Moskaus den Krieg nicht unbedingt beenden würde. Das hatte schon Napoleons Niederlage 1812 gezeigt. Hitler scheue „sich instinktiv, den gleichen Weg wie Napoleon zu gehen“, erklärte Alfred Jodl, der Chef der Wehrmachtführungsstabes, einem General. „Moskau hat etwas Unheimliches für ihn.“

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Hinter allem aber drängte den Diktator ein massives Misstrauen gegenüber seinen Generälen. Dieses war sein Krieg, ein Vernichtungskrieg, der vor allem um Lebensraum im Osten geführt werden sollte. Wie ein Jahr zuvor, als er die Panzerdivisionen vor Dünkirchen stoppte, um den Generälen ihre Grenzen und seine Macht vorzuführen, präsentierte sich Hitler im Sommer 1941 als militärischer und politischer Kopf des Unternehmens, der Einwände gegen seine Generallinie allenfalls noch zur Kenntnis nahm. Doch auch damit sollte es bald vorbei sein.

Von Berthold Seewald, in: Welt de veröffentlicht 04.08.2016


Der Beitrag wurde am Dienstag, den 4. Juli 2017 um 18:36 Uhr unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht. Sie können die Kommentare zu diesem Eintrag durch den RSS 2.0 Feed verfolgen und selbst einen Kommentar schreiben.

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