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Erinnerung an unsere gefallenen und vermissten Väter und Söhne »
02.01.2004 / NRZ - LOKALAUSGABE / RHEINBERG
AM NIEDERRHEIN. Er teilt das Schicksal vieler, die in den 30-er Jahren geboren wurden. Auch Karl-Heinz van Gerven hatte mit seinem Vater nur eine kurze gemeinsame Zeit. Denn an dem Tag, seitdem dieser als deutscher Soldat in Russland vermisst wurde, war Karl-Heinz van Gerven gerade einmal sieben Jahre alt. Bis heute weiß der 68-Jährige nicht, wo sein Vater Wilhelm begraben liegt. “Ich suche seit 55 Jahren nach ihm.” Dann ist da noch Gerhard Wemssen, ein im Sonsbecker Ortsteil Hamb geborener Großcousin. “Wir wissen, dass er gefallen ist.” Es war im März 1943 bei Kertsch, bei der Detonation einer Mine. Gerhard Wemssen wurde von deutschen Soldaten bestattet. Wo genau er begraben ist, diese Frage beschäftigt Karl-Heinz van Gerven bis heute. Und viele, viele Einzelschicksale mehr. Denn die Ungewissheit über das seines Vaters und das von Verwandten war für den Straelener Anlass, sich in Russland auf Spurensuche zu machen. Und 1999 den “Verein Russland Kriegsgräber e.V.” (VRK) zu gründen, deren Vorsitzender er ist.
Im gleichen Jahr fährt Karl-Heinz van Gerven in das Gebiet des großen Don-Bogens, wo ein Teil der 306. Infantrie-Division unter dem Oberkommando von General Hollidt kämpfte - darunter auch sein Vater. Viele Soldaten dieser Division konnte van Gerven ausfindig machen. In einem Wäldchen gegenüber der Schule des Dorfes Nishnij-Astachow, unter einer Scheune außerhalb des Dorfes, in der Nähe eines ehemaligen deutschen Maschinengewehr-Bunkers südlich des Ortes und sechs Kilometer südlich von Nishnij-Astachow entfernt in einer Balka hat der Straelener ihre Leichen gefunden. Die Suche ist nicht leicht, denn in den Ortschaften wurden über den Gräbern Schulen, Krankenhäuser, Straßen etc. gebaut. Anhaltspunkte liefern zwar die Erkennungsmarken, die die deutschen Soldaten dabei hatten. Vorgeschrieben war, dass die eine Hälfte bei den Leichen blieb, die andere wurde an die Wehrmachtsauskunftstelle (WASt) in Berlin geschickt. Aber es kam auch vor, dass ein Soldat die abgebrochenen Marken in seiner Tasche trug, um sie hinter der Kampflinie abzugeben, er aber kurz darvor an der Front fiel. “Somit blieben die Soldaten verschollen”, erklärt Karl-Heinz van Gerven, der die Zahl der ungeklärten deutschen Schicksale für Russland auf etwa 1,4 Millionen schätzt.
Seit Ende 1999 sind Grabungen in Russland verboten. 2001 - im Zuge einer Grabung mit Sondergenehmigung - findet Karl-Heinz van Gerven im Gebiet 30 Kilometer westlich vom damaligen sogenannten “Kessel von Stalingrad” in Zusammenarbeit mit einem russischen Suchtrupp 103 Soldaten und 55 Erkennungsmarken. Die gefundenen Leichenteile werden zusammengelegt, gezählt. Und die Knochen, die vom einzelnen Soldaten übrig blieben, in kleine Kunststoffsärge gelegt, die dann 30 Kilometer westlich von Wolgograd auf dem Soldatenfriedhof Rosschoschka beigesetzt werden.
Einzelschicksale zu klären, darum geht es dem VRK. Und das auf beiden Seiten der Front. Denn der Verein hat auch russische Soldaten gefunden und geborgen. “Ein Beitrag zur Völkerverständigung”, sagt Wilhelm Wehren, Schriftführer beim VRK. Und: “Es gibt viele Familien, die nicht nur ein Familienmitglied verloren haben. Ziel ist es, auch nach mehr als 60 Jahren die Hinterbliebenen - Ehepartner, Kinder Freunde - über das ungewisse Schicksal der Vermissten informieren zu können.” Das sei häufig die Suche nach der berühmten Stecknadel im Heuhaufen, das sei klar, sagt Wehren. Der VRK hat mehr als 50 Mitglieder - darunter auch Niederländer und Belgier, und der stellvertretende Bürgermeister von Straelen, Hans Rütten. Der aktive Kreis besteht aus etwa zehn.
Basis seiner Recherchen sind für Karl-Heinz van Gerven Informationen über das Kampfgeschehen. Der Straelener schreibt Bücher über die 306. Infantrie-Division, in der sein Vater kämpfte, befragt Zeitzeugen. Eine aufwändige Arbeit, für die er in diesem Jahr mit der Bronzenen Ehrennadel des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge ausgezeichnet wurde - wie auch sieben weitere Mitglieder des VRK.
Wer Fragen hat oder Informationen zum Thema möchte: Der “Verein Russland Kriegsgräber e.V.” ist unter 02834/2468 (Karl-Heinz van Gerven) und 02831/13070 erreichbar. Der Verein hofft auf weitere Mitglieder. Und sucht für eine Ausstellung Urkunden, Zollbücher, Auszeichnungen, Bilder, Briefe von der Front, Kartenmaterial, Einsatzpläne und Uniformteile ehemaliger deutscher Soldaten.
PETRA KESSLER
Tags: Ausstellung, Fundstücke, Mitstreiter, Suche
Der Beitrag wurde
am Freitag, den 2. Januar 2004 um 16:17 Uhr
unter der Kategorie Presse veröffentlicht.
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Am 28. Dezember 2018 um 19:43 Uhr
Sehr geehrte Frau Kessler,
welche Bücher hat Herr Karl-Heinz van Gerven über den II.Weltkrig hat Herr Karl-Heinz van Gerven geschrieben * Sind diese über AMAZON erhältlich?
Danke für Ihre Antwort und ein Gesundes Neues Jahr,
mit freundlichen Grüßen,
Dr. Gerd Mathwig
Friedenstr.41
15732 Eichwalde