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Ungeduld rettete Hitler im März 1943 das Leben »
Natürlich wissen sie, dass sie in Gefahr sind, die Menschen in Essen im Jahr 1943.
Hier im Herzen der „Waffenschmiede des Reichs“, wie die Stadt etwas übertrieben genannt wird. Wo der Nachschub produziert wird für Hitlers Truppen. Immer wieder sind sie heimgesucht worden von Bomberangriffen. Aber die waren nichts im Vergleich zu den Bombenteppichen, die auf Berlin oder Köln niedergegangen waren.
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Bis zur Nacht vom 5. auf den 6. März 1943.
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Da erlebt die Stadt „ein Getrommel, als ginge die Hölle los“, wie die Essenerin Carola Reissner später in einem Brief schreibt. Da lassen 442 britische Bomber ihre tödliche Last vom Himmel fallen. Es ist der Beginn eines fürchterlichen Frühjahrs und Sommers im Revier. Es ist der Beginn der „Battle of the Ruhr“, der Schlacht ums Ruhrgebiet.
„Es ging nun nicht mehr nur um gezielte Angriffe auf Industrieanlagen“, sagt der Hagener Historiker Ralf Blank, der jetzt ein Buch über das Kriegsjahr 1943 im Ruhrgebiet veröffentlicht hat. „Es ging seit Frühjahr 1942 vor allem auch darum, die Infrastruktur zu unterbrechen und Wohnraum zu zerstören.“
Deshalb kommen die Bomber nun regelmäßig.
Die Briten bei Nacht, die Amerikaner ab Sommer 1943 am Tag.
Sie kommen nicht nur nach Essen, sie kommen nach Duisburg, Bochum, Oberhausen, Marl, Gelsenkirchen, Dortmund, Gladbeck, Mülheim, Bottrop. Blank: „Jede Großstadt war ein Angriffsziel.“ Auch das Rheinland blieb nicht verschont – Köln, Düsseldorf, Krefeld, Wuppertal und Aachen werden zerstört. Für die Alliierten zählten die Städte zur „Ruhr area“.
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Ganze Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt
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Und wenn die Bomber wieder landen auf ihren Flugplätzen in Südengland, haben sie ganze Stadtviertel in Schutt und Asche gelegt. Haben Menschen getötet und Fabrikanlagen zerstört. Allein beim ersten großen Angriff auf Essen sterben 470 Menschen. Knapp 70.000 sind anschließend ausgebombt. Ein großer Angriff auf Dortmund zerstört im Mai 2000 Häuser komplett – darunter das historische Rathaus von 1232. Und bald schon macht die sarkastische Bitte die Runde: „Lieber Tommy, fliege weiter, hier wohnen nur die RuhrBergarbeiter.“ Sie bleibt ungehört.
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Zerstörung der Möhnetalsperre
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Dabei ist das Ruhrgebiet nicht wehrlos. „Es gab überall starke Flakstellungen“, sagt Blank. „Und auch die Luftwaffe war nicht so schwach, wie manche heute glauben.“ Aber es nutzt nichts. Was immer die Verteidiger vom Himmel holen, die Alliierten ersetzen es. „Die Ressourcen an Mensch und Material waren enorm.“ Und die neuen Bomber der Briten und Amerikaner sind größer, treffen präziser. So ist es irgendwann nur noch das Wetter, das den Menschen am Boden ein paar Tage Atempause verschafft. Ist es zu schlecht, können die Bomber nicht zielen und heben gar nicht erst ab.
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Irgendwann werden selbst die Särge knapp
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Anfangs können auch die Deutschen die materiellen Verluste noch auffangen. Als in Essen die Zahl der Ausgebombten steigt, kommt Hilfe aus Nachbarstädten. Irgendwann aber gibt es in jeder Stadt Obdachlose, mangelt es an Essen und Trinken, ja selbst die Särge werden knapp - wie in Mülheim, wo bei einem Luftangriff ein Sarglager in Flammen aufgeht.
Quer durchs Revier schicken sie die Kinder im Sommer aufs Land, um ihnen die Tage und Nächte in Luftschutzkellern und -bunkern zu ersparen. Die Erwachsenen versuchen den Alltag zu meistern. „Öffentliche Ordnung und Moral sind jedenfalls nicht zusammengebrochen“, weiß Blank. Über die Stimmung auf den Straßen kann aber auch der Historiker nur Vermutungen anstellen. „Es gibt keine belastbaren Quellen.“ Von Resignation aber ist nicht viel zu spüren, von Widerstand auch nicht. „Die Ruhrgebietler gelten ja als leidensfähig.“
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„Nichts mehr, was man noch zerstören könnte“
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34.000 Tonnen Bomben wirft das britische Bomber Command bis Ende Juli 1943 ab, tötet rund 16.000 Menschen, verliert über 3000 Besatzungsmitglieder. Dann bleiben die Bomber plötzlich weg, konzentrieren sich auf Hamburg, das im Feuersturm weggefegt wird. Warum die „Battle Of The Ruhr“ endet, ist unklar. „Einen speziellen Grund gibt es wohl nicht“, sagt Blank. Den Menschen ist es egal. Sie räumen weg, bauen auf. Zuerst die Fabriken. Bis zum Herbst kann in vielen Betrieben fast wieder normal produziert werden. Als längere Zeit Ruhe herrscht, holen immer mehr Bürger ihre Kinder zurück.
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Doch tatsächlich macht der Krieg nur Pause.
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Im Frühjahr 1944 kehrt er zurück – schlimmer als je. Städte verwandelt er in Trümmerfelder, Hauptverkehrsstraßen in Pfade, Industriegelände in Schutthalden. Als im April 1945 die Waffen schweigen, ist die Rüstungsschmiede des Reichs längst Geschichte. „Hier gibt es“, schreiben alliierte Soldaten nach dem Einmarsch, „nichts mehr, was man noch zerstören könnte.“ von: Andreas Böhme, Westfalenpost 30.07.2013
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am Samstag, den 4. März 2017 um 14:07 Uhr
unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht.
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