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Ysselsteyn - Sohn beerdigt Vater nach 70 Jahren
Ysselsteyn/Kevelaer. Kurt Götz hat lange nach einer Spur seines Vaters gesucht, der im Zweiten Weltkrieg gefallen ist. Fündig wurde er in den Niederlanden. Dank eines DNA-Abgleichs konnte die Identität festgestellt und der Vater bestattet werden. Von Sebastian Latzel
“Deutsche Soldaten” steht auf dem schlichten Messingschild, das auf dem Holzdeckel angebracht ist. Die Überreste von fünf Soldaten liegen in dem kleinen Sarg. Gefunden wurden sie bei Arbeiten in einem Garten, der in einem früheren niederländischen Kampfgebiet liegt. Ihre Namen kennt keiner. Trotz intensiver Recherche des niederländischen Teams für Bergung und Identifikation war es nicht gelungen, die Toten zu identifizieren.
Jetzt finden sie auf dem Soldatenfriedhof im niederländischen Ysselsteyn, rund zehn Kilometer von Kevelaer entfernt, ihre letzte Ruhe. 32 000 deutsche Soldaten sind hier beigesetzt, 4000 davon unbekannt. Denn es ist schwierig, ihre Identität festzustellen. Oft fehlt die Erkennungsmarke oder ist nach 70 Jahren unkenntlich geworden. So bleibt nur die namenlose Bestattung und für viele Angehörige die Ungewissheit über das Schicksal ihre Sohnes oder Bruders. Mehrere tausend Soldaten sollen noch in den Niederlanden unentdeckt liegen, erläutert Oberstabsfeldwebel Patric van Aalderen vom Bergings- en Identificatiedienst Koninklijke Landmacht (BIDKL). Die niederländische Armee hat eine eigene Abteilung mit Spezialisten. Mit seinem Team versucht van Aalderen im Labor mit modernsten Methoden möglichst viele Informationen über die unbekannten Toten zu sammeln. Anhand von Knochen und Gebiss werden Größe und Alter bestimmt und diese Angaben mit Vermisstenlisten abgeglichen. So gelang es tatsächlich, einen bislang unbekannten Soldaten zu identifizieren. Ein Glücksfall, denn so konnte der Sohn an der Beisetzung seines seit 70 Jahren vermissten Vaters teilnehmen.
Die Geschichte beginnt in den 70er Jahren, als Kurt Götz nach dem Tod seiner Mutter alte Dokumente durchsieht. Dort findet er auch den Brief mit der Nachricht vom Tod seines Vaters vom Oktober 1944. “Hochverehrte Frau Götz, ich drücke Ihnen zu Ihrem schwersten Verlust die Hand und kann Ihnen nur den Trost mitgeben, dass in Ihrem Jungen Ihr geliebter Mann weiterlebt”, heißt es darin. Im Kondolenzschreiben eines Kameraden standen fast die identischen Sätze. “Als einziger Trost bleibt Ihnen Ihr Junge, in dessen Wesen und Charakter Ihr Ehegatte weiterleben wird.”
“Diese Sätze trafen mich ins Herz, sie waren für mich der Ansporn, mich auf die Suche nach dem Grab meines Vaters zu machen”, berichtet der 76-jährige Kurt Götz, der in Berlin lebt. Er war sechs Jahre alt, als er seinen Vater zum letzten Mal sah. Er erinnert sich noch gut an den Schrei seiner Mutter, als ein Soldat ihr die Todesnachricht überbrachte. Wo er beerdigt wurde, erfuhr die Familie nie, doch diese Frage ließ Götz nie los. Da er wusste, dass sein Vater Fallschirmjäger gewesen war, schickte er eine Anfrage an den Suchdienst in Westdeutschland mit Angaben zu Verwundungen und Todeszeitpunkt. Weiter kam er nie. Auch weil das DDR-Regime kein Interesse daran hatte, solche Dinge zu unterstützen. Im Gegenteil: Als er einen Brief an die Kirche in ’s-Hertogenbosch (Niederlande) schickte, wo sein Vater gefallen war, fing die Stasi ein Antwortschreiben ab.
Nach der Wende ließ Götz nicht locker. Er besuchte eine Gedenkfeier der Fallschirmspringer in seinem Heimatort Stendal-Altmark und bekam so Kontakt zum ehemaligen Oberstleutnant Steffen Rohde. Der setzte sich in der Sache ein, glich die Angaben mit Dokumenten in Archiven ab. Auf diese Weise erfuhr Götz, dass sein Vater zu einer Gruppe von Fallschirmjägern gehört haben muss, die bei Kämpfen an einer Kirche in den Niederlanden starb. Die Polizei hatte die Toten 1946 auf dem Friedhof in Ysselsteyn beisetzen lassen. Bei drei der Toten war die Identität ungeklärt. Götz war sicher: Darunter musste auch sein Vater sein.
Er fand in den Niederlanden Hilfe bei der Suche, auch das Grab der unbekannten Soldaten war schließlich gefunden. Um letzte Gewissheit zu haben, wäre eine Exhumierung mit DNA-Abgleich nötig gewesen. Eine bislang einmalige Aktion. So sehr Kurt Götz sich Gewissheit wünschte, hatte er innerlich die Sache schon abgeschrieben. “Denn ich wusste nicht, was da an Kosten auf mich zukommen würde.” Doch mit Patric van Aalderen vom niederländischen Dienst für Bergung und Identifizierung fand er einen Experten, dem die Sache ebenfalls sehr am Herzen lag. “Wir kommen bei dir in Berlin vorbei und bezahlen den Test”, hieß es.
Der DNA-Test brachte den letzten Beweis. Bei einem Toten handelte es sich tatsächlich um den Vater von Götz. Der wurde auf dem Friedhof in Ysselsteyn feierlich beigesetzt. Ein zweites Mal. Diesmal hat er dort ein eigenes Grab mit Namen auf dem Kreuz. “Das Gefühl bei der Beerdigung war nicht zu beschreiben, es war das schönste Erlebnis nach meiner Hochzeit und der Geburt unseres ersten Kindes.” Er habe das Gefühl gehabt: Dein Vater schaut von oben zu. Jetzt hat er endlich seine Ruhestätte gefunden.
Quelle: RP 11. Juli 2015 A3
Der Beitrag wurde
am Samstag, den 11. Juli 2015 um 20:06 Uhr
unter der Kategorie Vorstand veröffentlicht.
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